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martedì 2 febbraio 2016

JOZEF TISO: PRÄSIDENT, PRIESTER UND NAZI-KOLLABORATEUR, von Peter Gorenflos

HITLERS KATHOLISCHE MARIONETTE IN DER SLOWAKEI, DER SECHSWÖCHIGE DEPORTATIONS-STOPP ODER PACELLIS FAULES ALIBI

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Einführung

In seiner Arbeit über den slowakischen Holocaust beschreibt der israelische Historiker Yeshayahu Andrej Jelinek, wie es schon vor Beginn des slowakischen Nationalismus im 19. Jahrhundert, ja schon seit dem Mittelalter, regelmäßige Plünderungen in dem Landstrich gab, der später die Slowakei wurde. Man bereicherte sich hier allerdings ohne die sonst üblichen Pogrome, nicht nur an der jüdischen Bevölkerung, sondern auch am Adel, am Klerus, an der sich langsam entwickelnden Bourgeoisie. Das Wort Pogrom existierte noch nicht einmal in der slowakischen Sprache. Diese „rabovačka” genannten Raubzüge hatten mehr anarchistischen Charakter, waren von sozialer Bitterkeit geprägt, vom Wunsch nach gerechten materiellen Verhältnissen und weniger von religiösem Hass. Seit dem 19. Jahrhundert war die gesellschaftliche Elite der Slowakei vor allem lutherisch, erst gegen Ende des Jahrhunderts bildete sich die katholische Slowakische Volkspartei [„Ľudáks”] nach ungarischem Vorbild heraus, die seit den 1920er Jahren nach ihrem Vorsitzenden, einem päpstlichen Kammerherrn, auch einfach nur Hlinka-Partei genannt wurde. Ihre Politik war insbesondere anti-tschechisch orientiert, trug aber in einigen Teilen, vor allem nach der Machtergreifung Hitlers, zunehmend antisemitische Züge. Die von der neuen Regierung föderativen slowakischen Teilrepublik 1938 ausgegebene Parole „Bereichert Euch!” wurde dann auch von der Bevölkerung angenommen, die sich vor allem am Eigentum wehrloser Juden schadlos hielt.

Vorgeschichte

Eugenio Pacelli wurde am 2. März 1939 zum Papst Pius XII. gewählt und zehn Tage später inthronisiert. Er war Nazi-freundlicher als sein Vorgänger Pius XI., der regelmäßig in Rage geriet, nicht etwa wegen der Terrorherrschaft oder Kriegstreiberei Hitlers, sondern wegen Verletzungen des Konkordates, Verletzungen katholischer Interessen. Hitler war ja nur das kleinere Übel, mit dem man das größere, die Machtübernahme durch die KPD nach sowjetischem Vorbild, verhindern wollte. Ansonsten war der Nationalsozialismus – bei von allen Seiten ständig betonten Gemeinsamkeiten – v.a. auch ideologischer Konkurrent: Herz-Jesu-Kult versus Blut-und-Boden-Kult. Himmlers Blatt „Das Schwarze Korps” hatte seit Pacellis Regierungsantritt die katholische Kirche jedenfalls nicht mehr angegriffen.
Am 15. März 1939 wurde unter Bruch des Münchener Abkommens die „Rest-Tschechei” von der deutschen Wehrmacht besetzt und das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren errichtet. Nicht einmal eindringliche Versuche vermochten den neuen Papst zum Anschluss an die Proteste demokratischer Staaten gegen dieses Vorgehen zu bewegen. Pius XII. lehnte dieses Ansinnen sehr entschieden ab und erklärte sogar, wie sehr er Deutschland schätze und dass er gewillt sei, viel für Deutschland zu tun. Wenige Wochen später zu Hitlers 50. Geburtstag sandte er ihm eine handschriftliche Botschaft, die in Berlin sehr gut aufgenommen wurde. Und am 25. April, sechs Wochen nach der Annexion, sagte er bei einer Audienz:
„Wir haben Deutschland immer geliebt und wir lieben es jetzt noch viel mehr. Wir freuen uns der Größe, des Aufschwungs und des Wohlstandes Deutschlands, und es wäre falsch zu behaupten, dass wir nicht ein blühendes, großes und starkes Deutschland wollen”.
Der Vatikan hatte an der Zerstörung der „Hussitenrepublik”, in der zwischen 1918 und 1930 über eine Million Katholiken aus der Kirche ausgetreten waren, schon vor Hitler gearbeitet, indem er die separatistische Bewegung der slowakischen Katholiken insbesondere die Slowakische Volkspartei unterstützte. Ein Jahr nach Hlinkas Tod wurde der Priester und ehemalige Theologieprofessor Jozef Tiso ihr Vorsitzender, der die Slowakei im Bunde mit Hitler und dem Vatikan noch im März 1939 zu einem „selbständigen” Vasallenstaat des Reiches machte. Zunächst Ministerpräsident wurde er im Oktober ihr Staatspräsident. Als einer der ersten erkannte der Heilige Stuhl den neuen Staat an.
Innerhalb der slowakischen Volkspartei gab es Konkurrenz zwischen dem klerikalen Flügel unter der Leitung Tisos und dem radikalen Flügel unter VojtechTuka und Alexander Mach. Bei einem Treffen mit der Nazi-Führung in Salzburg, dem „Salzburger Diktat” Ende Juli 1940, hatte er sich als Kleriker gegen die Radikalen durchgesetzt, musste aber auf Weisung Hitlers Mach zum Innenminister, Tuka zum Ministerpräsidenten ernennen. Tuka war fanatischer Hitler-Verehrer, allerdings hatte er nicht genügend Rückhalt in Partei und Bevölkerung, um ihn zur Nummer 1 zu machen. Der ehemalige zweite Mann in der Hlinka-Partei, Ferdinand Ďurčanský, war bei den Deutschen in Ungnade gefallen. Er hatte auf mehr Eigenständigkeit des Landes bestanden und war mit den slowakischen Annexionen von Javorina und Arwa nicht einverstanden, die sich Tiso durch Beteiligung am Polenfeldzug sicherte.
Ein dilettantisch geplanter Putschversuch durch Tuka wurde im folgenden Jahr von Berlin aus verhindert. Nach diesem internen Machtkampf führte Tiso auch in der Slowakei das Führer-Prinzip ein und nannte sich später slowakischer „Vodca” (=Führer). Der deutsche Botschafter Wolfgang von Killinger, der den Putschversuch unterstützt hatte, wurde durch Hanns Ludin ersetzt. Ludin, Nazi-Mitglied schon vor 1933, war mit Hitler der Auffassung, dass die formelle Eigenständigkeit der Slowakei unter Tisos Führung für Nazi-Deutschland so wichtig sei, dass man ihn auch ohne seine Zustimmung zu den „Umsiedlungen” gehalten hätte. Als Präsident war Tiso nun unumstritten. Er war Oberbefehlshaber der Armee, konnte Minister einsetzen und entlassen, konnte Gesetze annullieren und vom Parlament – ein Viertel der Abgeordneten waren Geistliche – nur mit einer 80%-Mehrheit daran gehindert werden und war Vorsitzender der einzigen zugelassenen Partei.
Selbstverständlich beteiligte sich die katholische Slowakei – ihre Gründung war ein Präzedenzfall für Kroatien zwei Jahre später – auch am Überfall auf die Sowjetunion und stellte zwei Divisionen für die Ostfront zur Verfügung. Kurz danach wurde in der Slowakei der Juden-Kodex mit seinen 270 Artikeln erlassen mit dem Ziel, die Nürnberger Rassegesetze zu importieren. Jetzt wurde die soziale Quarantäne der jüdischen Bevölkerung forciert. Sie verloren ihre bürgerlichen Rechte, ihr Eigentum, ihre Berufe, mussten den Davidstern tragen und wurden in slowakische Lager verbracht. Es war der Auftakt für die Deportationen nach Polen.

Der slowakische Holocaust

Und im Herbst 1941 traf Tiso Hitler in seinem Hauptquartier in der Ukraine zusammen mit Mach und Tuka. Hier wurde vor allem die Jüdische Frage erörtert. Die Nazis wussten, dass die Regierung und große Teile der Bevölkerung, auch Teile der katholischen Hierarchie, die Juden loswerden wollten und boten deren „Umsiedlung” nach Polen an, ein Vorschlag, den die slowakische Delegation begeistert annahm. Die Nazis mussten keinen Druck auf die Slowakei ausüben, um Zustimmung zu finden. Im Gegenteil, die konkurrierenden Lager – Kleriker und Radikale – benutzten die Jüdische Frage, um sich bei den Nazis anzubiedern, um von ihnen bei der Staatsführung favorisiert zu werden. Die Einzelheiten der sogenannten Umsiedlungen wurden später zwischen dem SS-Offizier und Nazi-Berater in Sachen slowakischer Endlösung, Dieter Wisliceny, und der Abteilung 14 des slowakischen Innenministeriums ausgehandelt. Ministerpräsident Tuka traf hier regelmäßig deutsche Gäste um das weitere Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung zu besprechen.
Am 3. März 1942 kündigte er dem Ministerrat die Deportation der Juden an, der Staatsrat – Slowakiens führender Bischof Ján Vojtaššák war hier Mitglied – bestätige dieses Vorgehen wenig später. Die Deportationen sollten Ende März beginnen. Mehrere Quellen sprechen von einer vorgesehenen „Quote” von 60.000. Sie endeten dann – vorläufig – im Oktober nachdem insgesamt 58.500 Juden abtransportiert worden waren und begannen erst wieder zwei Jahre später nach der deutschen Besatzung. Es gab auch einen Beschluss, dass die Slowakei für jeden abtransportierten Juden 500 Reichsmark an Nazi-Deutschland bezahlen würde. Man erkannte ihnen die slowakische Staatsbürgerschaft ab, um spätere Nachforschungen über ihr Schicksal zu verhindern.
Natürlich wusste Tiso bereits 1941 von slowakischen Soldaten an der Ostfront, welches Schicksal der jüdischen Bevölkerung widerfuhr, die den Deutschen in die Hände fiel. Im ukrainischen Zhitomir kam es im August 1941 zu einem Pogrom von SS und Einheiten der Wehrmacht, bei dem über 400 Juden erschossen wurden. Diese Stadt wurde zwei Monate später zu einem slowakischen Hauptquartier, das auch von Tiso besucht wurde. Bereits am 14. März, zwei Wochen vor Beginn der Deportationen, übergab der päpstliche Nuntius Giuseppe Burzio der slowakischen Regierung eine Protestnote des Vatikans, mit der Feststellung, dass die Juden nicht in Arbeitslager gebracht, sondern vernichtet würden. Im Juni desselben Jahres erhielt er von einer jüdischen Untergrundorganisation Zeugenberichte von den Vernichtungslagern in der naiven Hoffnung, dass „sein hartes Herz erweichen” würde.

Sechs Wochen Deportations-Stopp

Jelineks Arbeit befasst sich vor allem mit der Suspendierung der Deportationen zwischen Anfang August und Mitte September 1942. Er berichtet über eine Arbeitsgruppe jüdischer Aktivisten im Untergrund, die sich für die Rettung ihrer Glaubensbrüder einsetzte. Sie verhandelte u.a. mit Dieter Wisliceny. Dabei ging es um Bestechungsgelder, die für jeden ausgelassenen Transport bezahlt werden sollten. Neben dem Deutschen Wisliceny waren vor allem die Slowaken Ansprechpartner der Arbeitsgruppe, denn sie waren es, die den Abtransport organisierten, nicht die Deutschen. Der Transportminister Július Stano gehörte der „moderaten” Tiso-Fraktion an und stellte die Züge zur Verfügung, über welche Eichmann nicht in ausreichendem Maße verfügte. Nachgewiesen sind mehrere Unterredungen von führenden Mitgliedern der Arbeitsgruppe, wie Rabbi Armin Frieder, mit Tiso persönlich, es gibt sogar Augenzeugenberichte, dass Tiso selbst über die Abfahrt jedes einzelnen Deportations-Zuges entschied. Möglicherweise versuchte man ihn bei dieser Gelegenheit mit hohen Geldsummen zu bestechen.
Viel aufschlussreicher sind die mehrfach dokumentierten Kontakte der Arbeitsgruppe mit der tschechoslowakischen Exilregierung in London. Sie erhielt Dokumente, die zuvor den deutschen Behörden in Bratislava (Preßburg) gestohlen worden waren, auch Berichte über die Vernichtungslager in Polen von Juden, die fliehen konnten und den wahren Charakter der „Umsiedlungen” offenlegten. Die tschechoslowakische Exilregierung übergab dem katholischen Bischof von London, Edward Myers, am 6. Juli 1942 ein Memorandum über das entsetzliche Schicksal deportierter slowakischer Juden mit der Bitte, dieses an den britischen Kardinal Arthur Hinsley weiterzuleiten, der im März 1939 an der Papstwahl teilgenommen hatte. Ein ähnliches Memorandum von 1944 – eine Wiederaufnahme der Deportationen nach einer fast zweijähriger Pause wurde debattiert – bestätigt, dass die Intervention beim Vatikan damals Früchte trug, dass die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung eingeschränkt und die Deportationen zeitweise eingestellt wurden, nachzulesen in einer Quelle von 1944 im Archiv des tschechischen Außenministeriums. Auch ein Brief des Außenministers der Londoner Exilregierung, Jan Masaryk, an den tschechoslowakischen Generalkonsul in Jerusalem vom 8. Juli 1942 bestätigt die Intervention des Vatikans, ebenso ein Brief des Exil-Ministers Hubert Ripka an Bischof Myers vom 4. Februar 1944, der darauf hinweist, dass sich dessen damaligen Bemühungen in dieser Angelegenheit beim Heiligen Stuhl als extrem hilfreich erwiesen.
Jelinek macht klar, dass diese Dokumente die Aktivitäten der Exilregierung bezeugen, dass der Vatikan auf Druck der Exilregierung hin im Sommer 1942 intervenierte und dass es daraufhin zu einem sechswöchigen Deportations-Stopp von Anfang August bis Mitte September kam. Diese Intervention war vermutlich der entscheidende Grund für die Suspendierung. Es gibt keinen eindeutigen, dokumentierten Beweis dafür, dass Verhandlungen mit dem SS-Offizier Dieter Wisliceny oder Bestechungen zu dieser Unterbrechung der Abtransporte geführt haben, obwohl das natürlich auch eine Rolle gespielt haben kann. Im Gegensatz dazu sind die Dokumente, die den Vatikan betreffen ausreichend, verlässlich und überzeugend. Die katholische Kirche konnte also erfolgreich intervenieren, wenn sie das nur wollte. Sie hatte es schon ein Jahr zuvor bewiesen. So erstattete Bischof von Galen im Juli 1941 Anzeige wegen der „Aktion Gnadentod”, der 70.000 Geisteskranke zum Opfer gefallen waren und erreichte damit die Einstellung des Euthanasie-Programms der Nazis. Es war freilich der gleiche Bischof, der zur Zeit der Reichskristallnacht den Fahneneid auf Hitler autorisierte und bis zum Ende für den Krieg hetzte.

Verantwortlichkeit des Vatikans

Der Heilige Stuhl hatte mit Mussolini den faschistischen Geist aus der Flasche gelassen. Ohne die Kurie hätte er die Krise um die Ermordung des sozialistischen Abgeordneten Matteotti 1924 niemals überstanden, denn Pius XI. verhinderte ein Bündnis von Sozialisten mit der Partito Popolare durch Entlassung sämtlicher Priester aus der katholischen Volkspartei und gab Mussolini mit den katholischen Zeitungen Rückendeckung gegen eine Majorität in Parlament und Bevölkerung, die seine Entlassung als Ministerpräsident und Verhaftung forderte. Der Osservatore Romano, die Civiltà Cattolica u.v.a. schoben die Ermordung Matteottis den Freimaurern in die Schuhe. Im Gegenzug beantwortete Mussolini die „Römische Frage” fünf Jahre später zugunsten der katholischen Kirche. Staatlichkeit und Souveränität des Vatikanstaates wurden durch die Lateranverträge restituiert. Es wurde eine staatliche Abfindung von fast 2 Milliarden Lira gewährt, Grundlage der späteren Vatikanbank, und es kam zum Kotau. Die gesamte Gesetzgebung Italiens sollte mit dem kanonischen Recht abgestimmt werden.
Nach italienischem Modell wirkte Pius XI. an der Machtergreifung Hitlers mit. Der Vorsitzende des katholischen Zentrums, Prälat Kaas, steuerte seine Partei bereits unter der Nuntiatur Pacellis nach rechts, alle Entscheidungen fanden in enger Absprache mit ihm statt; über das Zentrum beeinflusste der Papst die Politik der Weimarer Republik. Es war ein päpstlicher Kammerherr, Franz von Papen, ehemals Zentrum, später NSDAP, der dem Reichspräsidenten Hindenburg im November 1932 empfohlen hatte, Hitler zu empfangen und – gegen dessen erhebliche Widerstände – Ende Januar 1933 zum Kanzler zu ernennen. Prälat Kaas drängte das Zentrum zur Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz am 23. März und zur Selbstauflösung drei Monate später. Bereits im April setzte er sich nach Rom ab, wurde Sekretär des Kardinalkollegiums und Domherr des Peterdomes.
Vizekanzler von Papen, Prälat Kaas und Pacelli, mittlerweile Kardinalstaatssekretär und damit Außenminister des Heiligen Stuhls, sorgten dann gemeinsam für das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Es war die Belohnung des politischen Katholizismus in Deutschland für seine Zustimmung zur Diktatur. Es war auch ein politischer Triumph für Hitler, dessen Position noch bis August 1934 prekär war und v.a. durch kirchliche Massenloyalität stabilisiert wurde. Die Bischofskonferenz von Fulda gab bereits Ende März alle Vorbehalte gegen die neue Regierung auf und steuerte die deutschen Katholiken in die Arme der braunen Verbrecherbande.
Es waren später Hitler und Mussolini, die Franco in Spanien und Pavelić in Kroatien zum Sieg verhalfen, jedes mal mit Unterstützung des Vatikans, der gemeinsam mit ihnen zum antibolschewistischen Feldzug aufrief. 1940, im deutschen Siegestaumel, als alle Welt dachte, Hitler würden den Krieg gewinnen, sollte die Fuldaer Bischofskonferenz sogar nach Berlin verlegt werden. In dieses Konzept passte auch Hitlers Feldzug gegen die „gottlose Sowjetunion”, welcher von Pacelli, mittlerweile Papst Pius XII., Ende Juni 1941 in einer Radioansprache begeistert befürwortet wurde. Teile des amerikanischen Episkopates, wie Bischof John Duffy aus Buffalo, drohten sogar damit, amerikanische Soldaten zur Befehlsverweigerung aufzufordern, falls die USA ein Bündnis mit der Sowjetunion eingingen; eine klare Verletzung staatlicher Souveränität. Auf den US-Katholizismus als fünfte Kolonne setzte Pius XII. auch ab 1942 – nachdem die deutsche Kriegsniederlage absehbar geworden war – um die US-Regierung zu einem Separatfrieden mit Deutschland zu bewegen und zu einem gemeinsamen Feldzug gegen die Rote Armee aufzurufen. Bis zum Ende des Krieges blieb das sein vorrangiges, außenpolitisches Ziel.
Weshalb intervenierte der Vatikan gegen die Deportationen in der Slowakei?
Das Kriegsglück der Achsenmächte wendete sich im Laufe des Jahres 1942. Bereits aus dem gescheiterten Winterfeldzug Nazi-Deutschlands im Osten 1941 schien die Rote Armee für kurze Zeit als endgültiger Sieger hervorzugehen. Spätestens mit dem Kriegseintritt der USA war die Lage für das Dritte Reich aussichtslos geworden. Nach Pearl Harbor erklärte Hitler im Dezember 1941 Amerika den Krieg. Direkt danach schlossen sich Tiso und die Slowakei dieser Kriegerklärung an. Die Kräfteverhältnisse wendeten sich langsam aber sicher gegen die Achsenmächte und im Winter 1942/43 nach der Niederlage der Hitler-Armee in Stalingrad war der Kriegsausgang zu Gunsten der Alliierten entschieden.
Die Lage in der Slowakei war deshalb einzigartig, weil mit Tiso ein Prälat Staatspräsident und damit für die Politik verantwortlich war. Der Kardinalunterstaatssekretär Domenico Tardini brachte das Problem auf den Punkt: „Jeder versteht, dass der Heilige Stuhl Hitler nicht stoppen kann. Aber wer versteht schon, dass er nicht in der Lage ist einen Priester zu zügeln?” Dem katholischen, kroatischen Faschistenführer Paveli drohte man schon allein deswegen mit Exkommunikation, weil er die Gehälter zweier Bischöfe nicht auszahlen wollte, die ohne seine persönliche Zustimmung von Rom ernannt worden waren.
Weshalb sorgte der Heilige Stuhl im Sommer 1942 für einen Deportations-Stopp slowakischer Juden nach Auschwitz?
Weil er von der tschechoslowakischen Exilregierung unter Druck gesetzt wurde. Weil die im Vatikan bereits bekannten Gräuel der Vernichtungslager langsam aber sicher an eine breite Öffentlichkeit durchsickerten. In der britischen Times gab es Anfang August 1942 einen kurzen Artikel über eine Million in Osteuropa von den Nazis bestialisch ermordeter Juden. Weil die absehbare Kriegsniederlage der Achsenmächte offensichtlich wurde. Weil der Versuch des Vatikans über einen Separatfrieden eine gemeinsame Front der West-Alliierten mit Deutschland gegen die Rote Armee aufzubauen bei den USA auf Ablehnung stieß. Der persönliche Gesandte des US-Präsidenten Roosevelt beim Vatikan, Myron Tayler, machte Pacelli spätestens im Spätsommer bei einer Audienz endgültig klar, das die West-Alliierten gemeinsam mit der Sowjetunion bis zur bedingungslosen Kapitulation Deutschlands kämpfen würden. Weil er sich mit seiner permissiven Haltung Tiso gegenüber direkt mitschuldig gemacht hatte am slowakischen Holocaust.
Weshalb intervenierte Pius XII. nicht bereits im März 1942, als die Deportationen begannen? Schließlich hätte er damit den bis August ermordeten 54.000 Juden mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit das Leben retten können. Tisos Position gegenüber Nazi-Deutschland war stabil genug, um ihn auch ohne seine Zustimmung zur Endlösung zu halten. Eine Drohung mit Exkommunikation hätte vermutlich gereicht, um die Katastrophe zu verhindern.
Er intervenierte nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnung hatte, dass Hitler eine militärische Wende herbeiführen könnte, weil er seinem Wunschdenken aufsaß. In dem Maße, wie sich Hitlers Kriegsglück 1942 wendete, geriet Pacelli zunehmend in Panik und versuchte sich mit dem Deportations-Stopp ein – wenn auch zweifelhaftes – Alibi zu verschaffen, denn es beweist, wozu er in der Lage gewesen wäre, wenn er es nur gewollt hätte.
Der Vatikan weiß, weshalb er seine Archive ab 1939 immer noch unter Verschluss hält. Für Hitlers Krieg gegen den gottlosen Bolschewismus war man nicht nur bereit, die Shoa als Kollateralschaden in Kauf zu nehmen. Judentum, Bolschewismus, Freimaurertum und Liberalismus waren für die katholische Kirche schon seit vielen Jahrzehnten Synonyme. Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung waren schon seit dem Mittelalter katholische Tradition. Der Klerus hetzte mit Ritualmordlegenden den Mob auf, und nach vollendeten Tatsachen setzten sich die Päpste gönnerhaft und selbstgerecht für die verbliebenen, „verstockten” Juden ein, auf die sie ja aus theologischen Gründen angewiesen waren. Sie waren die „Gottesmörder”, die man als Sündenböcke brauchte, deren Konversion eine wichtige Rolle spielte bei der mythologischen Wiederkehr des göttlichen Meisters. Nur deshalb waren sie nicht schon früher einer rein katholischen Endlösung zum Opfer gefallen, wie etwa die Albingenser. Pius XII. und Tiso setzten diese Tradition in gewisser Weise fort. Pacellis Problem war nicht die direkte Verwicklung eines Priesters in den slowakischen Holocaust, sondern ausschließlich die sich abzeichnende Kriegsniederlage Hitlers und der damit verbundene potentielle moralische Bankerott der Kurie vor den Augen der Weltöffentlichkeit.

Epilog

Erst im Herbst 1944 nachdem die Slowakei von der Wehrmacht besetzt worden war, wurden die Deportationen wieder aufgenommen. Bei der Niederschlagung des slowakischen Volksaufstandes hatten die Nazis die Unterstützung Tisos und Teilen der katholischen Hierarchie. Tiso und Tuka wurden in den Nachkriegsprozessen der wiedervereinten Tschechoslowakei zum Tode verurteilt und gehängt. Der kollaborierende, führende katholischen Bischof Ján Vojtaššák wurde zu 24 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Nach der Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg 1990 ist die Slowakei wieder ein separater Staat, genauso wie Kroatien. Bei Ján Vojtaššák läuft der Seligsprechungsprozess. Tiso wird heute in weiten Teilen der katholischen Bevölkerung Slowakiens als Märtyrer verehrt, die Slowakische Nationalpartei und Teile des katholischen Klerus streben seine Selig- und Heiligsprechung an. Auch Pius XII. soll seliggesprochen werden.
Das Rad der Geschichte wird zurückgedreht. Einen Mangel an Konsequenz kann man der katholischen Kirche wahrlich nicht vorwerfen. Und sie wird ihrer Linie sicher auch in Zukunft treu bleiben.

Berlin, 3. Januar 2016

LITERATURLISTE

Yeshayahu Andrej Jelinek: „The Jews of Slowakia were not for Sale: The Holy See and the Holocaust of Slovakian Jewry in Summer of 1942” (“Idvalujem balvan,pocta historickemu remeslu Jozefa Jablonickeho” auf Wunsch erhältlich beim Autor)
Tatjana Tönsmeyer: „Das Dritte Reich und die Slowakei, 1939-1945”, Schöningh, 2003
Karlheinz Deschner: „Mit Gott und den Faschisten”, Ahriman-Verlag, 2013
James Mace Ward: „Priest, Politician, Collaborator”, Cornell University Press, 2013
David Kertzer: „Die Päpste gegen die Juden”, List-Verlag, 2004, „The Pope and Mussolini”, Random House, 2014
Harold Tittman: „Inside the Vatican of Pius XII”, Doubleday, 2004
Hyam Maccoby: „Der Heilige Henker”, Thorbecke-Verlag, 1999
Dokumentation: „Der Prozess gegen die drei slowakischen Bischöfe”, Prague Orbis, 1951
Archiv Auswärtiges Amt

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